Freitag, 5. Mai 2023

 EILMELDUNG: 

Erfolgreicher Rechtskampf gegen Ausreiseverbote


In den letzten Tagen wurden zahlreiche Bürger, die an einem Kampfsport-Event (European FightNight) in Budapest teilnehmen wollten, mit staatlichen Verbotsmaßnahmen überzogen, um sie an der Ausreise zu hindern. Dabei handelte es sich um drei Fallgruppen: Zum einen begrenzten städtische Behörden für die Dauer des Events, den 06. und 07. Mai, die Personalausweise oder Reisepässe der Betroffenen räumlich, zum anderen verhängten Landespolizeibehörden Meldeauflagen, und zum dritten untersagten Kräfte der Bundespolizei unmittelbar an Grenzübergängen die Ausreise bzw. sprachen dort auch noch Meldeauflagen aus. Der rechtliche Ansatzpunkt war jedes Mal, dass die Personen durch ihre Teilnahme an der Sportveranstaltung des rechten Spektrums angeblich das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gefährden könnten. Das Passgesetz lässt in besonders gelagerten Ausnahmefällen ein solches Vorgehen zu.  

Dagegen wurden vor zahlreichen deutschen Verwaltungsgerichten Eilverfahren geführt, und wie es derzeit (Freitag, den 05.05.2023, 16.30 Uhr) aussieht, rundheraus gewonnen. Im Falle der von der Stadt Dortmund ausgesprochenen Verfügungen gingen die Rechtsstreite bis zum Oberverwaltungsgericht NRW in Münster, das wie die Vorinstanz, das VG Gelsenkirchen, zu der Ansicht kam, dass eine Gefährdungslage, die ein Ausreiseverbot rechtfertigen könnte, nicht bestehe. Grund war auch, dass das Gastland Ungarn keinerlei Bedenken gegen die Veranstaltung geltend gemacht hatte. Die Ausreise darf also nicht behindert werden, was aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Artikel 3 GG auch für diejenigen gilt, die nicht geklagt haben. Die Hauptsacheverfahren, in denen die Rechtslage eingehender geprüft werden kann, stehen natürlich noch aus. 

Die Frage, ob es dem Ansehen der Republik möglicherweise eher schaden könnte, wenn hochrangige Politiker in steter Regelmäßigkeit Sprachfehler in ihre - auch international beachteten - Statements einbauen, spielte für die Entscheidungen keine Rolle. 

u.a.: OVG Münster 19 B 466/23 zu VG Gelsenkirchen 17 L 614/23

Rechtsanwalt Dr. Björn Clemens


Donnerstag, 25. August 2022

URTEIL IM REVISIONSVERFAHREN LÜBCKE

Der Bundesgerichtshof hat heute  (25.08.2022) das Urteil des OLG Frankfurt in dem Mordprozess Lübcke in allen Punkten bestätigt. Damit ist insbesondere der Mitangeklagte H. vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord rechtskräftig freigesprochen. Die von der Verteidigung von Anfang an vertretene Auffassung, dass die Sachlage nichts für eine Beteiligung des Nebenangeklagten hergab, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der frahwürdigen Konstruktion der psychischen Beihilfe, hat sich daher als in jeder Hinsicht zutreffend erwiesen. Erst recht gab es keinen Hinweis auf eine noch  weitergehendere Mitwirkung des Nebenangeklagten wie es sich einige Beteiligte als offensichtliche Wunschvorstellung in den Kopf gesetzt hatten. Die ebenfalls bestandskräftige geringfügige Verurteilung von H wegen eines Waffendelikts hält die Verteidigung für falsch, aber angesichts des Freispruchs in dem allein interessierenden Mordvoreutf für verschmerzbar. Der Angeklagte H kann nun mit der Sache abschließen. 

BGH 3 StR 359/21

Donnerstag, 6. Januar 2022


Volkslehrer: Nichtabhilfebeschluss aus Karlsruhe 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde, die der Volkslehrer gegen seine Verurteilung wegen Volksverhetzung eingelegt hatte, nicht zur Entscheidung angenommen und den diesbezüglichen Beschluss auch nicht begründet. Das ist formalgesetzlich korrekt, bedeutet aber faktisch eine Rechtsverweigerung. Denn für den Beschwerdeführer bleibt damit unklar, welche Gründe für Karlsruhe maßgeblich waren. Das ist um so unbefriedigender, als die Instanzgerichte die inkriminierte Äußerung des Volkslehrers in Details rechtlich unterschiedlich verortet hatten. Strafrechtlicher Stein des Anstoßes war seine sinngemäße Äußerung gegenüber Schülern in einer KZ-Gedenkstätte, sie sollten nicht alles glauben, was sie dort hörten. Nachfolgend wird der vollständige Inhalt der Verfassungsbeschwerde vom August 2021 wiedergegeben.    


In dem Strafverfahren

AG Dachau   2 Cs 12 Js 12386/19

LG München II 6 Ns 12 Js 12386/19

Bayerisches Oberstes Landesgericht 207 StRR 241/21

 

 gegen Nikolai Nerling wegen Verurteilung gemäß § 130 Absatz 3 Alt. 2 und 3 StGB

 lege ich Namens und mit Vollmacht des Nikolai Nerling

 

    Verfassungsbeschwerde


gegen den Beschluss des BayOLG vom 25.04.2018, zugegangen am 09.07.2021

und

gegen das dadurch rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts München II 6 Ns 12 Js 12386/19 vom 14.01.2021,

 

sowie gegen das Urteil des Amtsgerichts Dachau 6 Cs 12 Js  12386/19 vom 09.12.2019 ein.

 

Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer (nachfolgend Bf.) in seinen Grundrechten, seine Meinung frei zu äußern, aus Art. 5 Absatz 1 Satz 1 Hs. 1 GG, sowie aus Art. 3 Absatz 3, 9. Alt. GG.

 

Ich beantrage, den angefochtenen Beschluss und die angefochtenen Urteile aufzuheben.

  

Begründung:

 

Die Bf. ist geschieden und arbeitet als freier Journalist und Vlogger. Dabei führt er den Künstlernamen „Der Volkslehrer“. Er lebt von Spenden.

 

Nach seinem Studium arbeitete der Bf. von 2006 bis 2009 zunächst als Lehramtsreferendar, sodann bis 2018 als Realschullehrer an der Vineta-Grundschule in Berlin-Gesundbrunnen.

 Am 04.12.2019 hielt er sich mit dem gesondert Verfolgten S.Z. auf dem Gelände der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau auf, um dort einen zur Veröffentlichung im Internet gedachten Videofilm zu drehen, in dem sich der Bf. gegen die von ihm als Schuldkult bezeichnete Erinnerungskultur zu den Verbrechen des Nationalsozialismus äußern wollte. Der Bf. trat als Sprecher auf, der Mitangeklagte führte die Kamera. Während dieser Zeit hielt sich auch eine Gruppe von 12 bis 15 Schülern des Gymnasiums Kirchseeon auf dem Gelände auf, die zusammen mit der Referentin des Max-Mannheimer-Instituts, der Zeugin Gruberova, die Gedenkstätte besuchten. Die Zeugin erkannte den Bf., aber sie kam nicht auf seinen Namen, so dass sie die Schüler bat, ihn im Internet zu recherchieren. Dem kamen die Schüler nach und fanden heraus, dass der Bf. der Volkslehrer sei. Um das bestätigt zu bekommen, fragte sie ihn, ob er der Volkslehrer sei, was der Bf. zutreffend bejahte. Sie sagte daraufhin, er sei rechtsradikal, worauf hin er antwortete, das stimme, und rechts käme von richtig. Sodann kam es zu den inkriminierten Äußerungen, welche das Amtsgericht wie folgt feststellte:   

 

„Mit den nachfolgenden Äußerungen gegenüber der Schülergruppe leugnete und verharmloste der Angeklagte Nerling zur Beeinflussung der Schüler bewusst und gewollt Ausmaß und Folgen der nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen zum Nachteil der europäischen Juden in der Zeit von 1933 bis 1945 bestehenden Konzentrationslager in Dachau, indem er ausführte, dass „alles Quatsch/eine Lüge sei, sie nicht alles/das meiste glauben sollten, was ihnen hier in der Gedenkstätte gesagt werde und dass sie hier manipuliert würden.“ (S. 4 und 5 des Urteils)

 

Demgegenüber traf das Landgericht München II folgende Feststellungen:

 

„Im Rahmen dieser Diskussion äußerte der Angeklagte Nerling sinngemäß, die Schüler sollten nicht alles glauben, was hier erzählt würde.“ (S. 8 des Urteils)

 

Feststellungen zu dem, was den Besuchern in der Gedenkstätte gesagt bzw. gezeigt wurde, zu Schautafeln, Filmen, sonstigen Informationen, die die Besucher dort erhalten können traf das Amtsgericht überhaupt nicht, und das Landgericht nur rudimentär. Es fasste dazu in seiner Beweiswürdigung den Inhalt der Aussagen der Zeugin Gruberova zusammen (S. 10):

 

„Das Seminar hätte die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau und auch allgemein die Geschichte des Holocaust zum Gegenstand. Die Geschichte der jüdischen Häftlinge im Konzentrationslager Dachau werde dabei von Anfang an thematisiert. Ein Viertel der Häftlinge seien Juden gewesen, allein nach der Pogromnacht 1938 seien     11.000 Juden im Konzentrationslager Dachau Inhaftiert worden. Insgesamt seien in Dachau ca. 206.000 Personen inhaftiert gewesen, von denen über 41.000 gestorben seien. Jeder Dritte Umgekommene sei Jude gewesen, ln den zu Dachau gehörenden Außenlagem habe es fast nur jüdische Häftlinge gegeben. Dort habe die Todesrate 80 % betragen. Der Holocaust habe nicht nur in den Gaskammern stattgefunden, sondern auch durch die in den Lagern vollzogene "Vernichtung durch Arbeit."

 

Es sei allgemein bekannt, dass es in Dachau eine Gaskammer gab. Die Dokumente zu ihrer Verwendung seien vernichtet worden, es gebe jedoch eine Aussage eines Häftlings, dass er Leichen aus der Gaskammer obduziert habe“.

 

Das Amtsgericht davon aus, dass die inkriminierte Äußerung  des Bf. nicht unter den Schutzbereich des Art. 5 GG falle. Es prüfte das allerdings nur anhand der Frage, ob mit ihr der öffentliche Friede gestört sei. Eine eigenständige Auseinandersetzung mit der Dogmatik des Art. 5 GG findet nicht statt.

 

Demgegenüber prüft das Landgericht diese Frage. Es geht dabei zutreffend von dem durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 93, 293, 300ff) festgelegten Auslegungsmaßstab aus:

 

„Bei der Bewertung der Äußerung berücksichtigte die Kammer, dass im Hinblick auf die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit eine den objektiven Sinngehalt der Äußerung erfassende Deutung unerlässlich ist und eine zur Verurteilung führende Deutung nicht zugrunde gelegt werden darf, ehe andere Deutungsmöglichkeiten ausgeschlossen wurden. Kriterien für die Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die Begleitumstände der Äußerung. Nach diesen Maßstäben lässt sich die  Äußerung des Angeklagten Nerling nur im o.g. Sinn verstehen.

 

Schon nach dem Wortlaut der Äußerung man soll/muss nicht alles glauben, was (hier) erzählt wird, drückt diese aus, dass das, was erzählt wird – jedenfalls teilweise – unrichtig ist.

 

Nach dem Kontext der Äußerung – auf dem Gelände der Gedenkstätte des Konzentrationslagers, vor einer Schülergruppe – kann es sich bei dem, was „erzählt“ wird, nur um den Inhalt der Führung durch die Gedenkstätte handeln. Nach der Vorstellung eines unvoreingenommenen Publikums beinhaltet eine solche Führung die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau, und dass dort auch Juden inhaftiert waren. Des weiteren gehört dazu die Geschichte des Nationalsozialismus, und in diesem Rahmen auch der Holocaust.

 

Zum Kontext gehört zudem, dass der Angeklagte ein öffentlich bekannter, sich selbst so bezeichnender, Rechtsradikaler ist. Zum Zeitpunkt seiner Äußerung war dies auch den Schülern, aufgrund des Wortwechsels mit der Zeugin Gruberova ... bekannt.

 

Zum Kontext der Äußerung gehört weiter, dass sie auf dem Gelände eines früheren Konzentrationslagers erfolgte.

 

Schließlich gehört zum Kontext, dass der Angeklagte die Zeugin G kurz nach der fraglichen Äußerung fragte, ob sie Jüdin sei.

 

Damit engt sich das Verständnis der fraglichen Äußerung darauf ein, dass hier unrichtige Dinge über den Völkermord an den europäischen Juden erzählt würden. Es ist nicht ersichtlich, welche anderen Tatsache dessen, was „hier erzählt“ werde, der Angeklagte sonst als unrichtig bezeichnen wollte, als die Tatsache des Holocausts. Auch die hierzu befragten Zeugen haben die Äußerung in diesem Sinne verstanden. Der Angeklagte beschränkte sich ... gerade nicht darauf, die Schüler zum kritischen Hinterfragen anzuregen, sondern er bekundete, dass nicht alles stimme, was hier erzählt werde. Er regte sie also nicht an, das Gehörte zu prüfen, sondern gab bereits vor, dass es unrichtig sei. Eine den Holocaust leugnende Aussage ist als erwiesen unwahre Behauptung nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt.“   

 

 

Das Landgericht kommt also in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass der Bf. den Holocaust gemäß § 130 Absatz 3, 2. Alt StGB leugnete.

 

Das BayOLG greift diese Maßstäbe auf, wobei es als reine Rechtsinstanz tatbestandlich zugrunde legt, das der Bf. (nur) sinngemäß gesagt habe, die Schüler sollten nicht alles glauben, was ihnen in der Gedenkstätte erzählt würde.

 

Es bezieht die Eigenschaft des Bf. als „Volkslehrer“ ebenso in seine Würdigung ein, wie den örtlichen Kontext der Äußerung auf dem Gelände der Gedenkstätte. Ferner bezieht es die vermeintlichen Kommentare des Bf. auf, die er während der Filmarbeiten gemacht haben soll. Hierzu schreibt es:

 

„Auch wenn die Strafkammer keine Feststellungen zu dem Inhalt der Kommentare des Angeklagten Nerling treffen konnte, drängt sich dieser Teil der Urteilsschilderungen dem Revisionsgericht als weitere Provokation des Angeklagten vor einem eigenen rechtsextremistischen Hintergrund auf.“ (S. 21)

 

 

Schließlich kommt es zu dem Ergebnis, dass es dem Bf. darum ging, den Genozid an den europäischen Juden zu bagatellisieren.

 

Es kommt dennoch zu einer anderen Rechtswürdigung, indem es urteilt, der Bf. habe mit seiner Äußerung den Holocaust gemäß § 130 Absatz 3, 3. Alt. verharmlost.

 

Diese Auslegungen halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Denn die richtige dogmatische Grundlage (s.o.) wird bei der Auslegung der Äußerung nicht beachtet.   

 

 

Der Revisionsbeschluss leidet zunächst darunter, dass er das zur Verurteilung führende Gesetz austauscht, aber die verfassungsrechtliche Bewertung des Landgerichts beibehält. Das ist schon deshalb nicht tragfähig, da zwischen Leugnen und Verharmlosen nicht nur ein Unterschied hinsichtlich des Unrechtsgehaltes besteht, sondern weil Leugnen bedeutet, die historischen Tatsachen in Abrede zu stellen, während Verharmlosen darin besteht, sie zwar als Tatschen anzuerkennen, aber in ihrer Schwere anders zu beurteilen als vom Gesetzgeber definiert wird. Ob etwas schlimmer, gleich schlimm oder weniger schlimm ist als andere Vorgänge, ist ein Werturteil.  

 

Beide Entscheidungen verstoßen darüber hinaus gegen zwei weitere Auslegungsgrundsätze, deren richtige Anwendung aber zu dem Ergebnis geführt hätte, dass der Äußerung des Bf. sehr wohl die Mehrdeutigkeit zukommt, die zu einem Freispruch führen musste.

 

Erstens bleibt offen, worauf sich die Äußerung des Bf. überhaupt bezieht. Hier hätten sich mehrere Fragen aufgedrängt. Denn in der Gedenkstätte werden den Besuchern historische Inhalte vermittelt. Also kann der Bf. diese Vermittlung als das gemeint und kritisiert haben, was nicht zur Gänze zu glauben sei. Oder aber er kann die historischen Tatsachen selber gemeint haben. Das OVG Münster hat im Beschluss 21 B 1549/99 vom 16.11.1999 ausdrücklich eine solche Differenzierung zwischen dem historischen Geschehen und seiner Aufarbeitung in der Gegenwart getroffen (S. 3 Mitte).

 

 

Wenn er die Vermittlung, also die Präsentation durch die Gedenkstätte und/oder durch die Referentin gemeint haben sollte, dann wäre zu prüfen gewesen, wie angemessen oder unangemessen eine solche Kritik war. Dazu aber gibt es keine Feststellungen, weil die Gerichte darauf gerichtete Tatsachen nicht bzw. nur ansatzweise erhoben haben.

 

Zwar wird in der Beweiswürdigung des landgerichtlichen Urteils (S. 10) mitgeteilt, was Gegenstand des  Seminars der Schülergruppe, an welche der Bf. seine Äußerung richtete, war: nämlich die Geschichte des Holocausts im Allgemeinen und die diejenige des KZ Dachau im Speziellen. Aber genau das führt dazu, dass der Angeklagte sowohl das eine als auch das andere mit seinen Worten gemeint haben könnte. Ferner könnte er sie anstelle der historischen Vorgänge an sich auf die Präsentation bezogen haben, die die Besucher in der Gedenkstätte bzw. in dem Seminar erhalten. Die Möglichkeiten sind variabel. Die angefochtene Urteile haben es unterlassen hierzu Feststellungen zu treffen. Außerdem sind diese Angaben zu wenig aussagekräftig, als dass sich daraus ableiten ließe, was den Schülern tatsächlich dargeboten wurde. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass sie durch das Seminar auch verzerrte oder falsche Informationen bekamen. Es ist nicht feststellbar.

 

Weil somit offen geblieben ist, worauf der Bf abstellte – ob auf historische Tatsachen oder auf die Informationen in der Gedenkstätte und im Seminar - muss auch offen bleiben, was er aussagen wollte, und wenn das offen ist, kann nicht festgestellt werden, ob seine Aussage nur so ausgelegt werden kann, das sie strafbar ist. Das gilt um so mehr, als das Landgericht als maßgebliche letzte Tatsacheninstanz die Aussage des Bf. nur sinngemäß ermitteln konnte. Damit bleibt also unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes mindestens eine Auslegung seiner Worte übrig, die nicht zur Strafbarkeit führt.  

 

Zwar scheint das Landgericht die o.g. Differenzierung zu kennen, wenn es feststellt (S. 18),

 

„... nach dem Kontext der Äußerung kann es sich bei dem, was erzählt wird, nur um den Inhalt der Führung durch die Gedenkstätte handeln.“

 

Aber dieser Inhalt wird nicht präzise mitgeteilt. Vielmehr gehen die Gerichte ohne weiteres davon aus, dass dieser Inhalt (also der Darbietung) der historischen Wahrheit entspricht. Das muss nicht zwingend so sein. Denn anerkanntermaßen war Dachau kein Vernichtungslager wie Auschwitz oder Treblinka. Es wurden Menschen ermordet, aber nicht in der industriellen Form wie in den genannten. Die Gerichte haben keinen Beweis darüber erhoben, ob die Führung insoweit richtige Fakten vermittelte, denn sie haben, um es zu wiederholen, darüber nur zusammenfassen, nicht im Detail, erhoben, was überhaupt vermittelt wird. Das kann richtig, überwiegend richtig, teilweise richtig aber auch (teilweise) falsch gewesen sein.  

Zweitens ist es verfassungsrechtlich unzulässig, den politischen Hintergrund des Bf. in die Auslegung der Äußerung einzubeziehen. Das hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in seinem Beschluss 1 BvQ 43/19 vom 15.09.2019 entschieden, wo es unmissverständlich klarstellte, dass die Äußerung auf einem Plakat einer politischen Partei aus sich selbst heraus zu interpretieren sei, und nicht aus deren Parteiprogramm (in dem Falle der NPD). Gegenteiliges verstößt auch gegen Art. 3 Absatz 3, 9. Alt. GG, wonach niemand aufgrund seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Darauf laufen die angefochtenen Entscheidungen jedoch hinaus. Denn wenn die Äußerung des Bf. deshalb in einer bestimmten Wiese zu interpretieren (und somit vom Anwendungsbereich des Art. 5 GG auszunehmen) sei, weil er rechts sei, heißt das nichts anderes, als dass er die selbe Äußerung hätte tun dürfen, wenn er aus dem linken Spektrum käme. Das kann nicht rechtens sein.  

 

Daher sind die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben.

 

 

 

 

Dr. Björn Clemens, RA

Sonntag, 31. Oktober 2021

 

Zehn Thesen zum Antichristen

Jede Rechtsordnung besteht in einem gesellschaftlichen Kontext. Das heißt, was Gesetz wird und was nicht, hängt wesentlich davon ab, ob wichtige gesellschaftliche Gruppen darauf Einfluss nehmen oder eben nicht - und sich still ergeben. Deshalb soll an dieser Stelle die Rolle der Kirche beleuchtet werden: 

Wer in den Zeiten der inszenierten Pandemie nach Gott sucht, nach einem Refugium vor den Nachstellungen und Übergriffen des Staates auf die Bürger, wird in der Pfaffenkirche nicht fündig, im Gegenteil: Dort huldigt man dem Antichristen.

 

 

 

  1. Wer die medizinisch Unkorrekten aus dem Gottesdienst und somit aus der Mitte der Gemeinde verstößt, spuckt Jesus Christus ins Gesicht. Wer Gottes Haus nur denjenigen öffnet, die ihren Gesundheitsstatus nachweisen, verschließt es ihnen. Denn Jesus wandte sich den Aussätzigen (Mt. 8, 3) zu, eingedenk dessen, dass sie aus der Gemeinde abgesondert (in Quarantäne gesteckt) waren. Denn in der Schrift heißt es, (3. Mose 13, 46): „Allein soll er wohnen, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein.“ Jesus durchbricht die Quarantäne, ihm sind alle willkommen, ob krank, gesund oder geimpft, und deshalb dient dem Antichristen, wer sie vollstreckt.

 

  1. Wer einer Agenda der Furcht das Wort redet oder ihr nicht entgegentritt, verleugnet Jesus Christus. Denn er spricht, „in der Welt habt Ihr Angst, ich aber habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33);  er spricht, „ich habe Euch nicht den Geist der Frucht gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ ( 2. Tim., 1, 7). Wer Jesus dient, nimmt daher den Menschen die Angst vor Krankheit. Wer ihnen diese Angst einjagt, dient dem Antichristen.

 

  1. Wer die biologische Gesundheit des Menschen in den Mittelpunkt des Lebens stellt, verschreibt sich einer Agenda des Körpers, also des Fleisches. Diese Agenda leugnet die Agenda des Heilands, denn er spricht, Römer 5, 12ff. „So sind wird nun, liebe Brüdern und Schwestern nicht dem Fleisch schuldig, das wir nach dem Fleische leben. Denn wenn Ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet Ihr sterben müssen, wenn Ihr aber durch den Geist die Taten des Leibes tötet, so werdet Ihr leben.“ Folglich sind die Gesundheitsapostel Apostel des Antichristen.

 

  1. Wer sein Gesicht beim Kirchgang maskiert, verdeckt es vor Gott. Doch Gott wendet den Menschen sein Angesicht zu, damit sie ihm ihr Angesicht zuwenden. Wer im Gottesdienst ausruft „Gott lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig“ (4. Mose, 6,25) und dabei das eigene Gesicht verhüllt, ist ein Heuchler und Scharlatan. Er dient dem Antichristen.

 

  1. Wer Gott den Gesang verweigert oder ihn verschleiert, verschließt die Ohren vor dem Gebot, ihm Lobgesang entgegenzubringen. Denn es heißt im Psalm (147): „Denn es ist gut, unserem Gott zu singen, es ist lieblich, es ziemt ich der Lobgesang“, und es heißt im Lied: „Nun lasst uns gehn und treten mit Singen und mit Beten“ (Paul Gerhard) oder  „Psalter und Harfe wacht auf, lasset den Lobgesang hören.“ (Joachim Neander). Wer nicht singt, bejubelt den Antichristen.

 

  1. Wer die Gottesdienste beschränkt oder sie gar digitalisiert, verbannt den Geist Gottes aus seiner Mitte. Denn es steht geschrieben (Mt. 18,20), „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.“ Wer die Versammlung der Gemeinde behindert, sperrt damit Gott aus. Das ist Dienst am Antichristen.

 

  1. Wer staatliche Vorgaben für den Gottesdient akzeptiert oder sie in vorauseilendem Gehorsam selbst inszeniert, verstößt gegen das Gesetz Jesu Christi, wonach Du Dem Kaiser geben sollst, was des Kaisers und Gott, was Gottes ist (Mk. 12, 17). Wenn der Staat sich anmaßt, Auflagen für den Gottesdienst zu erlasen, dann sollst Du Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg. 5,29). Wer aber Gott den Gehorsam verweigert, gehorcht dem Antichristen

 

  1. Wer sein Heil darin sucht, der Welt zu gefallen und deshalb den Widerstand gegen die Herrschaft des Bösen meidet, der dient ihr. Damit dient er dem Fürsten der Welt.  Aber der Fürst dieser Welt wird im Gericht hinausgeworfen (Johannes 12,31) Wer also dem Fürsten dieser Welt dient, dient dem Antichristen.

 

  1. Wer der Gemeinde nicht beisteht, wer Gläubige aussperrt, und Hilfesuchenden keine Hilfe bietet, ist eine falsche PriesterIn. Von ihs heißt es: „Wehe den Hirten, die die Herde meiner Weide umkommen lassen. Darum so spricht der Herr, der Gott Israels, über die Hirten, die mein Volk weiden, Ihr habt meine Herde zerstreut und verstoßen und nicht nach ihr gesehen. Siehe ich will Euch heimsuchen um Eures Bösen Tuns willen.“  (Jeremia 23, 1 u. 2) Denn diese falschen Hirten stehen im Dienste des Antichristen.

 

  1. Wer all dies tut aus Angst vor der Abschaffung der Kirchensteuer oder dem Ablösegebot (Art. 140 GG., Art. 138 WRV), der handelt nicht um Gottes Willen sondern um seines eigenen Willen. Denn Du kannst nicht gleichzeitig Gott dienen und dem Mammon (Mt. 6, 24, Luk. 16,13)!      

 

 

Die Kirche, die solches treibt, ist somit Teil der Agenda. Sie dient nicht Gott und nicht den Menschen. Sie dient, wie schon zu Zeiten des Reformators dem Antichristen, ob bewusst oder unbewusst.

 

Reformationstag 2021

 

     

Montag, 25. Oktober 2021

 

 

„Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ vor dem Landgericht Dortmund

 Kreativer Prozessauftakt endet nach 13 Minuten


Am Landgericht Dortmund sollte am Morgen des 25. Oktober 2021 das Strafverfahren gegen zehn Angeklagte um eine Parole beginnen, die sie bei einer Kundgebung der Partei „Die Rechte“ im Jahr 2018 gerufen haben sollen. Laut Anklageschrift hätten die Teilnehmer „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ skandiert. Rechtlicher Tatvorwurf ist Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Doch ob dieser Spruch wirklich strafbar ist oder eher eine Geschmacklosigkeit, ist selbst für die Staatsanwaltschaft nicht so sicher. Deshalb hat sie ihrer Anklageschrift – mehr als unüblich – ein zehnseitiges Rechtsgutachten vorangestellt, das zu dem Ergebnis kommt, dass der Inhalt des Spruches selbst wahrscheinlich straflos sei, er aber im Zusammenhang mit dem Gesamtgepräge der Kundgebung strafbar werde.

So ist es dann möglicherweise eher politischen Zwängen als dem Strafgesetzbuch geschuldet, dass am 25. Oktober mit großem medialen Begleitprogramm, einschließlich einer dpa-Meldung, die Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer begann. Tagungsort ist der Veranstaltungssaal des Freizeitzentrums West Dortmund, FZW. Laut dessen Eigendarstellung ist es ein „kreativer“ Veranstalter, der Parties und Konzerte für verschiedene jugendliche Subkulturen und musikalische Szenen anbietet. 

Das Ambiente ist auch eher dem Voyeurismus als der Rechtsfindung zugeneigt: eine düstere Halle ohne natürliches Licht oder Frischluft, dafür mit zugiger Klimaanlage. Die Angeklagten sitzen mit ihren siebzehn Verteidigern eng zusammengequetscht an drei Tischreihen mit schwarzen Decken, die wenig Platz für die Unterlagen bieten; um die Laptops an den Strom anzuschließen, muss ein Verlängerungskabel herbeigeschafft werden. Das Gericht thront auf der Bühne, auf der sonst verschwitzte Musiker die Teens zum Tanzen bringen. Wenn gerade nicht der Corona-Gott sein Szepter schwingt. Am ersten Tag mussten sie alle dort nicht lange sitzen, denn die Videos, die die fragliche Demo zeigen, waren bislang nicht in dem Aktenbestand der Verteidigung enthalten. Auf diesen Videos soll man am Lippenspiel der Angeklagten ablesen können, ob sie mit skandierten oder nicht. Sie sind somit das wesentliche Beweismittel. Dass gerade sie fehlten, nachdem das (Vor-) Verfahren schon seit drei Jahren läuft, ist bemerkenswert. Folgerichtig beanstandeten die Verteidiger dieses Defizit, woraufhin die Verhandlung ausgesetzt wurde. Lediglich die USB-Sticks mit den Dateien wurden noch ausgeteilt. Ende des ersten Aktes nach dreizehn Minuten. Der geneigte Leser möge selbst beurteilen, ob das Ganze kreativen oder subkulturellen Charakter hat. Am 8. November soll fortgesetzt werden.                    

LG DO 32 klS600 Js 466/18-19/19 

 

Freitag, 25. Juni 2021

Schleswig-Holstein: Verfassungsklage gegen Notausschuss

Die Landtagsabgeordnete Doris von SAYN-WITTGENSTEIN lässt sich nicht gefallen, dass wegen Corona o.ä. ein Notausschuss an die Stelle des gewählten Landtags treten soll und leitet ein Organstreitverfahren vor dem Landesverfassungsgericht ein. RA und Fachanwalt f. Verwaltungsrecht Dr. Björn Clemens vertritt sie und erläutert die Sach- und Rechtslage.




Donnerstag, 28. Januar 2021

 

Freispruch

Sieg des Rechtsstaates im Lübcke-Prozess

Im Mordfall Lübcke hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt den Mitangeklagten Markus H. am 28. Januar 2021 vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen.

Der Vorsitzende wies zu Beginn darauf hin, dass Gegenstand eines Urteils nur die angeklagten Taten seien, es daher die Aufgabe des Senats weder gewesen sei, rechtsradikale Netzwerke aufzuklären, noch den Staat vor missliebigen politischen Elementen zu schützen.

Die Verteidigung sieht sich mit dem Urteil in ihrer von Anfang an vertretenen Einschätzung bestätigt. Sie ist erleichtert, dass sich das Gericht nicht von den mannigfaltigen Versuchen Dritter und der Stimmungmache der Medien hat beeinflussen lassen, die auf Biegen und Brechen eine Verurteilung von H. herbeireden bzw. schreiben wollten. Somit ist das heutige Urteil auch ein Sieg des Rechtstaates über all diejenigen, die sich ein politisches Verfahren gewünscht hätten.

 

5-2 StE 1/20- 5a-3/20