Montag, 23. November 2015

Wie erziele ich einen Freispruch ?


Die Frage nach dem Freispruch stellt sich nicht nur der Angeklagte, sondern, mehr noch, der Verteidiger. Für den  Angeklagten ist es womöglich gar keine Frage, sondern eine Erwartungshaltung. Der Verteidiger hingegen muss auf Basis des Prozeßstoffes, der immerhin eine Anklage zur Folge hatte, die Instrumente der Strafprozeßordnung so einsetzen, dass der Fall eine günstige Wendung nimmt. Wenn in einem Fall, wie dem hier zu erörternden, ein Spruch, der sich um die Themen „Juden“ und „Schornstein“ rankt, Gegenstand des Vorwurfes (Volksverhetzung - § 130 Absatz 1 StGB) ist, kommt eine psychologische Hemmschwelle der Richter hinzu. Was also tun:

Die Beweislage war immerhin unklar, weil die wirklich belastenden Aussagen erst vier Monate nach dem Geschehen, das im Wesentlichen aus einer Pöbelei an einer Bushaltestelle bestanden hatte, getätigt wurden - und zwar unter wohlwollender Stichworthilfe der Polizei. Dann sind, abgesehen von detaillierter Befragung (wer hat genau was wann gesehen; war der A betrunkener als der B, war er es überhaupt oder doch nur der B usw., usf.) zwei Dinge zu tun: erstens ausgedehnte Beweisanträge zu stellen und zweitens jeden Vorhalt der polizeilichen Vernehmung zu beanstanden. Denn in der mündlichen Verhandlung geht es nicht darum, vom Zeugen lediglich bestätigt zu bekommen, wie er vor der Polizei ausgesagt hat, so gerne sich die Gerichte darauf zurückziehen. Vielmehr geht es darum, zu erforschen, ob sich der Zeuge noch an die Tat erinnern kann (und an was), und nicht, ob er sich noch an seine spätere Aussage erinnert. Erst recht muss verhindert werden, dass die Wiederholung der schriftlichen Aussage die Erinnerung des Zeugen an das Geschen ersetzt. Der Verteidiger darf also nicht zulassen, dass nur diese schriftliche Aussage noch einmal abgehakt wird, so bequem es für das Gericht auch sein mag. Er muss vielmehr dafür sorgen, dass um jeden einzelnen Satz des Vorhaltes gerungen wird. Zwar zieht sich das Verfahren auf diese Weise in die Länge, aber wir wollen ja keinen kurzen Prozeß! (Auch wenn vielleicht der eine oder andere Verfahrensbeteiligte sich genau diesen wünschen mag.) Noch mehr zieht er sich in die Länge, wenn der Verteidiger erkennen lässt, dass das, was die (in diesem Fall allesamt jugendlichen) Zeugen im April vor der Polizei erzählt haben, vielleicht einen anderen Inhalt haben könnte, als das, was sie in frischer Erinnerung am Tag eins nach dem Vorfall anderen berichteten, ihren Eltern beispielsweise. Macht bei sechs Zeugen zusätzlich zwölf weitere. Abgesehen davon, dass es die Gewissenhaftigkeit verlangt, die Zeugen zu benennen, trägt es dazu bei, dass das Gericht die Lust am Verfahren verliert, was der Verteidiger dadurch weiter steigern kann, dass er vorschlägt, für die erforderlichen fünf bis sechs Fortsetzungstermine die Samstage mit einzubeziehen. Dann könnte er einen Punkt erreicht haben, an dem sich auch das Gericht darauf besinnt, dass die Beweislage unklar ist. Und das selbst dann, wenn es um Schornsteine und Juden geht. Am Freitag, dem 20.11.2015 sah es vor dem AG Bad Berleburg selbst die Staatsanwältin ein und forderte das, was sich der Angeklagte immer wünscht und der Verteidiger manchmal erreicht - jedenfalls, wenn er etwas taugt - und was dann auch kam: Freispruch.


AZ: AG Bad Berleburg 7 Ds 21 Js 37/15-137/15      

Dienstag, 10. November 2015


So funktioniert Rechtsstaat, Marke BRD


Das Verwaltungsgericht Dresden hat eine Klage des Kandidaten der NPD gegen seinen Ausschluss von der Bürgermeisterwahl in Strehla am 7. Juni 2015 (Landkreis Meißen) abgewiesen. Dabei hat es die eigentliche Rechtsfrage nicht behandelt, sondern die Klage an einem an den Haaren herbeigezogenen Formalismus scheitern lassen. Dass das Gericht womöglich in der Orientierung auf das Ergebnis befangen war, hatte sich bereits abgezeichnet, als es den Termin wohlweislich so angesetzt hatte, dass der Rechtsanwalt des Klägers verhindert war.

Wir geben im folgenden Auszüge des Befangenheitsantrages wieder. Sie sind der besseren Lesbarkeit halber grammatikalisch etwas umgestaltet: 

"Mit Schreiben vom 25.08.2015 fragte der Prozessvertreter an, wie das Gericht weiter vorzugehen gedenke. Er reichte unter Hinweis auf seine Pflichtverteidigereigenschaft in einem Staatsschutzverfahren den dortigen Terminplan ein, der Termine für andere Verfahren im wesentlichen nur montags, freitags und samstags freilässt. Darüber hinaus kommen andere Wochentage in den Sitzungsunterbrechungen des Staatsschutzverfahrens in Betracht. Dafür standen zwei Wochen im Oktober sowie die Woche nach den Weihnachtsfeiertagen zur Verfügung. Gleichzeitig beantragte der Prozessvertreter, einen Termin telefonisch zu finden. Dieser Antrag wurde nicht beschieden. Stattdessen teilte das Gericht mit Schreiben vom 26.08.2015 lediglich mit, dass es zeitnah zu terminieren gedenke.
Mit Schreiben vom 03.09.2015, eingegangen am 11.09.2015, terminierte das Gericht dann auf den 10.11.2015, wohlwissend, dass der Anwalt diesen Termin nicht wahrnehmen kann.

....

Mit Schreiben vom 16.09.2015 lehnte der abgelehnte Richter den Verlegungsantrag ab, weil erhebliche Gründe angeblich nicht vorgetragen seien.

Darauf antwortete der Unterzeichner mit nochmaligem Hinweis auf das Institut der Pflichtverteidigung mit Schreiben vom 17.09.2015. Darauf erhielt er keine Antwort.

.... 

Der Prozessvertreter ist seit drei Jahren in das Staatsschutzverfahren eingebunden. Es ist bisher immer gelungen, die Termine mit den Terminen anderer Verfahren, seien es strafrechtliche, zivilrechtliche oder verwaltungsgerichtliche, zu koordinieren. Er hat bisher in keinem Fall eine derartige Obstruktion erlebt, wie durch den abgelehnten Richter. Mit der für einen Richter gebotenen Neutralität und etwas gutem Willen wäre es gelungen, einen anderen Termin zu finden, zur Not einen Samstag, welcher ein gesetzlicher Werktag ist.  

Dass ein Termin nicht gefunden werden könnte, an dem alle Beteiligten Zeit haben,  glaubt der Kläger nicht. Dass der abgelehnte Richter darüber hinaus die Berufung auf eine Pflichtverteidigung nicht gelten lässt, lässt den Kläger zu der Einschätzung kommen, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber voreingenommen ist und es darauf anlegt, den gewählten Anwalt aus dem Verfahren herauszuhalten. Das sieht er dadurch bestätigt, dass der abgelehnte Richter das gesetzlich abgesicherte Institut der notwendigen Verteidigung (§§ 140 StPO, 49 BRAO!) als „anwaltlichen Belang“ darstellt und damit so tut, als stelle der Rechtsanwalt eine Prioritätenliste persönlicher Vorlieben auf. Weiter sieht sich der Kläger in seiner Befürchtung dadurch bestätigt, dass der abgelehnte Richter die Hinzuziehung eines anderen Prozessvertreters nahe legte. Richtig ist, dass diese Möglichkeit besteht. Sachgerecht ist sie jedoch nur bei standardisierten Fällen, in denen die mündliche Verhandlung keine eigenständige Bedeutung hat. In Fällen wie diesen, die neben der rechtlichen Komplexität eine politische Brisanz aufweisen, ist es untunlich, in der mündlichen Verhandlung auf einen anderen Rechtsanwalt zurückzugreifen als in der Vorbereitung.    



Mit E-Mail vom 04.11.2015 fragte ein Redakteur der Sächsischen Zeitung beim Kläger an, ob es richtig sei, dass die Klägerseite beim Termin vom 10.11.2015 möglicherweise nicht anwesend sei. Eine diesbezügliche Auskunft habe er vom Verwaltungsgericht erhalten. Tatsächlich entspricht diese Information einer Ankündigung aus dem o.g. anwaltlichen Schreiben an das Gericht vom 17.09.2015. Dabei handelt es sich um ein prozessuales Schriftstück, dessen Inhalt nicht für Dritte bestimmt ist (vgl. § 100 i.V.m. § 63 VwGO), zumal es eine Differenz über den prozessualen Ablauf offenbart. Der Kläger ist befremdet, dass der abgelehnte Richter nicht dafür Sorge getragen hat, dass dieses Internum intern bleibt. Er unterstellt ihm nicht, selbst diese Information öffentlich gemacht zu haben. Aber als Vorsitzender der Kammer trägt er die Verantwortung für die Behandlung von Aktenstücken. Ihr wurde er nicht gerecht. Dass die Presse diesen Punkt offensichtlich thematisieren will, zeigt, dass er zur Stimmungsmache geeignet ist. "

Hony soit, qui mal y pense